Untervermietung an Geflüchtete – muss Vermieter zustimmen?

    Urteil des Landgerichts Berlin vom 06.06.2023 – 65 S 39/23

     

    Wenn ein Mieter eine oder mehrere Personen bei sich als Untermieter aufnehmen will, dann braucht er die Zustimmung des Vermieters. Ausnahme: es handelt sich um Ehepartner, Lebenspartner, Kinder oder Eltern.

    Gilt dies aber auch für eine Untervermietung an Geflüchtete, denen der Mieter aus humanitären Gründen eine Unterkunft gewähren will? Ob dann ein Anspruch auf Erlaubnis besteht- dazu ist die Rechtsprechung uneinheitlich.

    Nach einer neueren Entscheidung des Landgerichts Berlin kann eine humanitäre Motivation ein berechtigtes Interesse begründen.

    Das war der Sachverhalt

    Eine Berliner Mieterin erbat von ihrer Vermieterin die Erlaubnis, an eine im Näheren benannte Frau aus der Ukraine ein Zimmer in der von ihr gemieteten 85 qm großen Wohnung untervermieten zu dürfen.

    Sie teilte mit, dass sie selbst weiterhin in der Wohnung wohnen werde und mit der Untervermietung einer Geflüchteten aus dem ukrainischen Kriegsgebiet Unterstützung anbieten möchte.

    Die Vermieterin übersandte der Mieterin daraufhin eine Nachtragsvereinbarung mit der Bitte, zwei unterschriebene Exemplare zurückzusenden.

    Die übersandte Nachtragsvereinbarung sah neben der Genehmigung der Untervermietung eine Änderung der im Mietvertrag getroffenen Staffelmietvereinbarung in eine Indexmietvereinbarung vor.
    Die Vermieterin lehnte die Unterzeichnung der Nachtragsvereinbarung wegen der vorgesehenen Indexmiete ab.
    Daraufhin forderte der von der Mieterin hinzugezogene Berliner Mieterverein die Vermieterin unter Fristsetzung auf, die Untervermietungserlaubnis zu erteilen.

    Die Vermieterin lehnte über ihre Hausverwaltung deren Erteilung erneut mit der Begründung ab, dass weder die Mieterin noch der Mieterverein ein berechtigtes Interesse substantiiert dargelegt hätten. Sie wies darauf hin, dass für den Fall, dass die Klägerin seit der Anfrage „den Flüchtling bereits ohne Genehmigung des Vermieters bei sich aufgenommen“ habe, dies eine fristlose Kündigung begründen könne und riet der Mieterin, die Untervermietung umgehend zu beenden.

    In der ersten Instanz erfolglos: Fehlendes berechtigtes Interesse

    Die anschließende Klage der Mieterin auf Erteilung der Zustimmung blieb in der ersten Instanz erfolglos. Das zuständige Amtsgericht Wedding vertrat die Auffassung, dass der Klägerin das nach dem Gesetz erforderliche berechtigte Interesse an der Untervermietung fehle.

    Landgericht hebt die Entscheidung auf

    Das Landgericht Berlin hingegen hat der Mieterin ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung und damit auch einen Anspruch auf Zustimmung der Vermieterin zur Untervermietung eines ihrer Zimmer an eine aus der Ukraine geflüchtete Frau zuerkannt.

    Gemäß Paragraph 553 Abs.1 S.1 BGB könne ein Mieter vom Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils der gemieteten Wohnung verlangen, wenn er nachvollziehbare vernünftige Gründe für einen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte vorbringe und dies für den Vermieter zumutbar sei.

    „Altruistische Motive“ gehören zu den berechtigten Interessen

    Entgegen der Vorinstanz ließ das Gericht nach Ansicht des Landgerichts nicht die Auslegung zu, dass altruistische Motive wie die Hilfe für einen Kriegsflüchtling nicht zu den berechtigten Interessen gehören. Erforderlich sei lediglich, dass er grundsätzlich die Absicht habe, die Wohnung mit einer weiteren Person zu teilen. Dies gelte auch, wenn er dies nicht im eigenen Interesse tue und er mit dieser Person auch kein Zusammenleben beabsichtige.

    Damit waren die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung nach Auffassung des Landgerichts Berlin erfüllt. Die Berufung gegen das Ablehnen des erstinstanzlichen Urteils hatte deshalb in vollem Umfang Erfolg.

    Das ganze Urteil finden Sie hier.

    Frühere anderslautende Entscheidung des Amtsgerichts München

    Nach einem früheren Urteil des Amtsgerichts München brauchen Mieter eine Erlaubnis des Vermieters, wenn sie Geflüchtete bei sich aufnehmen.

    Geklagt in München hatte ein Mieter, der Mitte März 2022 zwei Ukrainerinnen im Dachgeschoss wohnen ließ. Der Vermieter wollte dies unterbinden. Er bekam recht.

    Altruistische Motive begründen kein berechtigtes Eigeninteresse

    Nach der Entscheidung des Amtsgerichts ist ein berechtigtes Interesse des Mieters an einer Untervermietung nur in den Fällen zu bejahen, in denen nach Abschluss des Mietvertrags Umstände eingetreten sind, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Mieters oder ein besonderes eigenes privates Interesse begründen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Zweck des Wohnraummietvertrages stehen.

    Altruistische Motive wie eine humanitäre Hilfeleistung für Geflüchtete gehören nach Auffassung des Gerichts nicht zu den berechtigten Eigeninteressen an einer Untervermietung.

    Urteil des Amtsgerichts München vom 20.12.2022 – 411c 10539/22
    Das ganze Urteil finden Sie hier.

     

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Wann darf ein Vermieter die Erlaubnis verweigern?

    Wer Personen für längere Zeit oder dauerhaft als Untermieter aufnehmen will, braucht als Mieter die Zustimmung des Vermieters. Ausgenommen sind Ehepartner, Lebenspartner, Kinder oder Eltern.

    Vermieter dürfen die Erlaubnis grundsätzlich verweigern,

    • wenn in der Person des Untermieters selbst ein wichtiger Grund dafür liegt,
    • der Wohnraum dadurch dauerhaft überlegt wäre
    • oder dem Vermieter die Untervermietung ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann.

    Ausländer als Untermieter nur wegen der Herkunft abzulehnen ist nicht zulässig.

     

    Wohnung darf nicht überbelegt werden

    Die Wohnung darf nicht überbelegt werden.

    Wann eine Überbelegung vorliegt müsse im Einzelfall geprüft werden. Auch Mindestanforderungen für die Unterbringung sind zu beachten. Die Unterkunft sollte den eigenen Ansprüchen genügen und Geflüchtete menschenwürdig beherbergen lassen, egal ob es sich bei dem Angebot um eine komplette Wohnung oder einen Teil der Wohnung handelt.

     

    Wer haftet für Schäden?

    Wie bei der Aufnahme von neuen Mietern können auch bei der Unterkunft von Flüchtlingen Schäden auftreten. Generell haftet in Deutschland für Schäden immer der Mieter.

    Ist zum Beispiel die Stadt anstelle des Geflüchteten als Mieter im Kaufvertrag eingetragen, so muss die Stadt diese Kosten tilgen. Beim Thema Kündigung müssen sich die Vermieter an die gesetzlichen Vorgaben halten.

    Auch für Flüchtlinge existiert eine Kündigungsfrist.

     

    Haus & Grund Fachanwalt zu Rate ziehen

    Wer als Vermieter beabsichtigt eine Wohnung an Geflüchtete zu vermieten sollte sich vorher unbedingt bei seinem Haus & Grund Anwalt informieren. Es gibt eine große Anzahl von Gesichtspunkten, die – abweichend von einem „normalen Mietverhältnis“ – zu berücksichtigen sind!

    Fachanwalt Wolfgang Reineke