Miet/Kaufinteressenten vergrault – Kündigung gerechtfertigt?

    Urteil des Landgerichts Wuppertal -Urteil vom 30.04.2020 – 9 S 208/19

    Kann die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Vergraulens von Mietinteressenten gerechtfertigt sein? Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich das Landgericht Wuppertal zu befassen.

     

    Das war geschehen

    Die 74-jährige Mieterin einer Wohnung in einem Zweifamilienhaus, das sie seit über 30 Jahren bewohnte, äußerte sich anlässlich der Neuvermietung einer anderen Wohnung im Haus gegenüber Mietinteressenten in einer abschreckenden Art und Weise, um diese von der Anmietung der Nachbarwohnung abzuhalten.

    Ein Zeuge schilderte, dass die Mieterin mit einem lauten und beleidigenden Tonfall potenzielle Nachmieter davon abhielt, die andere Wohnung im Haus anzumieten.
    Nach den Feststellungen des Gerichts hatte die Mieterin den Interessenten mitgeteilt,

    • Die Wohnung sei in einem verwüsteten Zustand,
    • Der Garten und die Außentreppe seien lebensgefährlich und die Tochter der Vermieterin würde sich hierum nicht kümmern.
    • Die Tochter der Klägerin sei eine schreckliche Person, mit der man nicht auskommen könne und die sie schikanieren würde.
    • Der Mietpreis sei nach ihrer Auffassung Wucher und die Mietinteressenten sollten diesen Preis auf gar keinen Fall bezahlen.
    • Auch sei das Bad in der Wohnung völlig heruntergekommen.
    • Im Übrigen sei die Gegend „brandgefährlich“, es würden Menschen im Garten geknebelt, anschließend würde „Feuer gelegt“. Anderen Personen würde Säure ins Gesicht geschüttet.

    Nachdem die Vermieterin die Mieterin wegen ihres Verhaltens mehrfach abgemahnt hatte, zuletzt unter Androhung der fristlosen Kündigung, kündigte sie – rund vier Monate nach dem Vorfall – das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und nahm dabei zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf ihre vorangegangenen Abmahnungen.

    Die Mieterin setzte sich gegen die Kündigung zur Wehr, so dass es zu einer Räumungsklage vor dem Amtsgericht Mettmann kam. Dieses gab im Ergebnis der Klage auf Räumung und Herausgabe statt, wogegen die Mieterin Berufung beim Landgericht Wuppertal einlegte.

    Das Landgericht kam zum Ergebnis, dass das Urteil des Amtsgerichts korrekt war, insbesondere dass die Vermieterin einen Kündigungsgrund hatte.

     

    Wann darf ein Vermieter ein Mietverhältnis kündigen?

    Gemäß § 573 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Ein solches Interesse kann vorliegen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt hat. Das sah das Landgericht als gegeben an:

    Die Verhaltensweise eines Mieters, die zur Absage von potenziellen Mietinteressenten führt, kann grundsätzlich als Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB gewertet werden.

     

    Notwendig ist ein vorsätzliches Verhalten

    Ein solches Verhalten muss allerdings vorsätzlich erfolgen muss, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Es muss also nachgewiesen werden, dass der Mieter bewusst und gezielt versucht hat, die Neuvermietung zu verhindern.

    In dem vorliegenden Fall, so das Landgericht, habe die Mieterin durch ihr Verhalten und ihre seine Äußerungen gegenüber potenziellen Nachmietern diese aktiv von der Anmietung der Wohnung abgehalten, was eine erhebliche Pflichtverletzung und einen Kündigungsgrund darstelle.

     

    Alter der Mieterin und die Länge der Mietdauer änderten nichts

    Auch unter Berücksichtigung des Alters der Mieterin und der Tatsache, dass es sich um ein Jahrzehnte andauerndes Mietverhältnis handle, ändere nichts daran, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatte. Das Verhalten der Beklagten habe jedenfalls wiederholt und nachhaltig den Hausfrieden in einer Weise gestört. Andere Mitbewohner hatten gegenüber der Vermieterin wegen dieser Störungen sogar angedroht, ihr Mietverhältnis zu kündigen.

     

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Es ist gar nicht so selten, dass Mieter versuchen eine Neuvermietung zu verhindern, indem sie die angebotene Mietwohnung oder das ganze Wohnumfeld schlecht reden.

     

    Nicht jede Kündigung ist gerechtfertigt:

    Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jedes negative Verhalten eines Mieters gegenüber Mietinteressenten automatisch zu einer Kündigung führt. Es muss eine erhebliche und vorsätzliche Pflichtverletzung vorliegen, die die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar macht.

     

    Besondere Situation beim Verkauf

    Möchte der Vermieter die vermietete Wohnung verkaufen, ist es für den Mieter häufig mit der Sorge verbunden, dass der neue Eigentümer die Wohnung selbst nutzen möchte und das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigt mit der Folge, dass der Mieter seine Wohnung verliert. Da entsteht bei dem einen oder anderen Mieter durchaus einmal der Wunsch, den Kaufinteressenten abzuschrecken, indem er auf vermeintliche Nachteile der Wohnung hinweist.

     

    Dürfen Mieter sich äußern?

    In diesem Zusammenhang gilt:

    Sind Mängel oder sonstige Nachteile tatsächlich vorhanden, darf der Mieter bei entsprechender Frage hierauf hinweisen, solange er sachlich und bei der Wahrheit bleibt. Erfindet der Mieter hingegen Mängel, die gar nicht existieren oder nimmt er bewusst Handlungen vor, die die Wohnung in einem negativen Licht erscheinen lassen, wie z.B. die Behauptung von Lärm, macht er sich schadensersatzpflichtig, wenn der Interessent aus diesem Grund von dem Erwerb der Wohnung Abstand nimmt und der Vermieter dadurch einen Vermögensnachteil erleidet (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 10.07.2003 – 2Z BR 56/03- zur Käuferabschreckung durch einen anderen Wohnungseigentümer, der die Wohnung ebenfalls erwerben wollte).

     

    Praxistipp:

    Lassen Sie potenzielle Mieter/Käufer nie allein mit Mietern Gespräche führen!

    Machen Sie keine Besichtigung der Wohnung ohne Zeugen!

     

    Fazit:

    Sollte sich bei einer Neuvermietung herausstellen, dass sich ein Mieter schlecht über die angebotene Wohnung oder das Wohnumfeld äußert, dann ist Handlungsbedarf geboten.

    Holen Sie sich im Zweifelsfall Rat und Unterstützung bei ihrem Haus & Grund Fachanwalt!

    Fachanwalt Wolfgang Reineke