Defekter Spülkasten beim Mieter verursacht Kosten von 1800 Euro – muss der Vermieter zahlen?
Entscheidung des Landgerichts Hanau vom 30.10.2020-2S123/19
Betriebskostenabrechnung mit böser Überraschung
Auf den Toiletten-Spülkasten sollte man immer ein Auge haben. Sonst kann das böse Erwachen in Form einer dramatisch hohen Nebenkostenabrechnung drohen. Das entschied das Landgericht Hanau (LG Hanau, Beschluss vom 30.10.2020 – 2 S 123/19).
Der Sachverhalt:
Der Schreck fuhr ihr durch alle Glieder, als eine Hanauer Mieterin die Betriebskostenabrechnung für das abgelaufene Jahr bekam. 1.803,18 € sollte sie nachzahlen, wobei die größte Position der für die Wohnung ermittelte Wasserverbrauch ausmachte.
Sie weigerte sich, weshalb die streitige Sache landete beim Amtsrichter landete. Dort verteidigte sich die Mieterin, dass der Vermieter Nachforschungen wegen des enormen Wasserverbrauchs hätte machen müssen. Dieser habe es pflichtwidrig unterlassen, die Wasserleitungen zu kontrollieren. Sie selbst habe erst später festgestellt, dass der Spülkasten an der Toilette defekt sei und das Wasser dort glatt durchgelaufen sei. Deshalb zahle sie nicht.
Bei Gericht unterlegen
Das Amtsgericht Hanau war in der ersten Instanz von diesen Argumenten nicht überzeugt. Das Gericht sah eine Pflichtverletzung der Mieterin. Ein derartiger Mehrverbrauch an Wasser über einige Monate sei bei Annahme der geschuldeten Aufmerksamkeit eines Mieters, auch bei zeitweiser Abwesenheit, nicht zu übersehen.
Mieterin hätte Defekt melden müssen
Es verurteilte die Mieterin zur Zahlung. Der Mieterin hätte der defekte WC-Kasten auffallen müssen und sie hätte diesen dem Vermieter sofort und am besten schriftlich melden müssen. Ihr sei eine Pflichtverletzung vorwerfbar.
Landgericht bestätigt das Urteil
Die Mieterin legte Berufung ein und verlangte für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe – vergeblich. Das Landgericht Hanau entschied, dass die Berufungsbegründung keinen Anlass gäbe, anders zu entscheiden als die erste Instanz.
Aus dem Beschluss des Landgerichts Hanau:
Das Landgericht Hanau bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Seiner Ansicht nach sei es nicht vorstellbar, dass ein massiver durch einen defekten Spülkasten verursachter Wasserverlust bei einem Mindestmaß an Aufmerksamkeit, das ein Mieter einer Wohnung dem Vermieter aufgrund seiner Obhutspflicht schuldet, über mehrere Monate hinweg unerkannt bleibt. Die angeführte Abwesenheit sei unbeachtlich, da auch der häufig ortsabwesende Mieter einer Wohnung eine regelmäßige Kontrolle der Mietrache schuldet.
Keine Pflicht des Vermieters zur Kontrolle der Wasserleitungen
Nach Auffassung des Landgerichts sei der Vermieter im Fall eines erhöhten Wasserverbrauchs nicht ohne weiteres zur Kontrolle der Wasserleitungen des Hauses verpflichtet, welche im Übrigen den Defekt am Spülkasten nicht zwingend umfasst hätte.
Die Rechtsauffassung des Landgerichts
In einem Hinweisbeschluss vom 30.12.2020 führt die zuständige 2. Zivilkammer aus:
„Die Berufung wird maßgeblich darauf gestützt, dass das Amtsgericht fehlerhaft eine Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem durch den defekten Spülkasten der Toilette entstandenen Wasserverlust angenommen habe. Die Beklagte wendet ein, – entgegen der Annahme des Amtsgerichts – keine Möglichkeit gehabt zu haben den Wasserverbrauch zu bemerken, da dieser weder durch einen Geräuschpegel noch durch einen mit den Augen erkennbaren Wasserverlust verbunden gewesen sei. Vielmehr treffe die Klägerin ihrerseits eine Pflichtverletzung, weil sie der Ursache des bereits schon länger bekannten hohen Wasserverbrauchs nicht früher nachgegangen sei.
Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht, weil es schlicht kaum vorstellbar ist, dass ein massiver durch einen defekten Spülkasten der Toilette verursachter Wasserverlust bei einem Mindestmaß an Aufmerksamkeit, das ein Mieter einer Wohnung dem Vermieter aufgrund seiner Obhutspflicht schuldet, über mehrere Monate hinweg unerkannt bleibt. Überdies ist der – streitige – Vortrag der Beklagten betreffend den fehlenden Geräuschpegel und die fehlende optische Erkennbarkeit des Defektes nicht nur neu i. S. von § 531 Abs. 2 ZPO und schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, sondern auch nur schwer mit dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten in Einklang zu bringen. Diesem zufolge soll es nämlich die Beklagte selbst gewesen sein, der die defekte Toilettenspülung, wenn auch erst später, aufgefallen sein soll, was eine optische oder akustische Wahrnehmbarkeit nahelegt. Als Grund für die erst späte eigene Wahrnehmung wird von der Beklagten im ersten Rechtszug auch lediglich ihre überwiegende Abwesenheit genannt, welche sie indes nicht zu entlasten vermag, da auch der häufig ortsabwesende Mieter einer Wohnung eine regelmäßige übliche Kontrolle der Mietsache schuldet. Demgegenüber ist der Vermieter im Fall eines erhöhten Wasserverbrauchs nicht ohne weiteres zur Kontrolle der Wasserleitungen des Hauses verpflichtet, welche im Übrigen den Defekt am Spülkasten gar nicht zwingend umfasst hätte.“
Die Entscheidung des Landgerichts im Volltext lesen sie hier.
Anders liegt der Fall bei folgendem Sachverhalt, den das Oberlandesgericht Celle zu entscheiden hatte:
Es ging um einen Wasserschaden von knapp 215.000 €
In der Praxis einer Zahnärztin war ein Unternehmen im Oktober 2016 mit der Installation einer Desinfektionsanlage beauftragt worden. Dazu gehörte, dass etliche Rohrleitungen an die Anlage anzuschließen waren. Im November 2017 prüfte das Unternehmen noch einmal die Anlage. Probleme wurden nicht festgestellt.
Drei-Wochen-Urlaub
Am 06.07.2018 schloss die Praxis für drei Wochen. Die Zahnärztin fuhr in den Urlaub.
Am Abend des 27.07.2018 verließen gegen 19:02 Uhr zwei Zeuginnen das Haus, in dem in der zweiten Etage die Praxis war. Ihnen fiel nichts Besonderes auf. Als sie am nächsten Morgen gegen 07:00 Uhr zurückkamen, bemerkten sie gleich beim Betreten des Treppenhauses schwallartiges Wasser, das aus der Zahnarztpraxis herauslief. Das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits überflutet. Die herbeigerufene Feuerwehr stellte fest, dass eine Rohrleitung zur Desinfektionsanlage bereits einige Stunden vor der Entdeckung des Schadens undicht geworden war. Ein Verbindungsstück (Winkelfitting) hatte sich an einem Wasserrohr gelöst.
Der Schaden war enorm: knapp 215.000 €.
Versicherung zahlt, will aber Geld zurück
Für die Zahnärztin war das kein Problem. Sie hatte eine Versicherung, die auch solche Schäden einschloss. Die zahlte zwar alles, wollte aber das Geld von dem Unternehmen, das die Desinfektionsanlage angeschlossen hatte, zurück. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass der Anschluss mangelhaft war. Das Rohr war nur halb so tief in die Muffe gesteckt worden, wie es hätte sein müssen. Und die Verklebung war auch nicht vollständig und hatte versagt.
Schuld sei die Zahnärztin…
Das verklagte Unternehmen sah das gar nicht ein. Schuld sei die Zahnärztin, argumentierte man. Hätte sie vor dem Urlaub den Hauptwasserhahn abgedreht, wäre es nicht zu einem Wasseraustritt gekommen.
Die Sache kam vor Gericht. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Verden, meinte das Gericht, beide seien gleichermaßen schuld: die Zahnärztin, weil sie nicht den Hauptwasserhahn abgestellt hatte. Und das Unternehmen, weil es nicht richtig montiert hatte. Mit dem Ergebnis war die Versicherung der Zahnärztin unzufrieden. Sie legte Berufung ein. Mit Erfolg!
Mieter muss Hauptwasserhahn vor dem Urlaub nicht abdrehen
Die Kernaussage des Gerichts:
Ein Mieter muss den Hauptwasserhahn nicht abdrehen, bevor er in den Urlaub fährt. Kommt es in der Zeit zu einem Rohrbruch mit Wasseraustritt, ist ihm das nicht zuzurechnen (OLG Celle, Urteil vom 07.04.2021 – 14 U 135/20).
Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass überhaupt schon kein Zusammenhang bestand, zwischen einem am 06.07. begonnen Urlaub und einem Schaden am 27.07. Aus dem Urteil:
“Es wäre daher ebenso möglich, dass sich das Rohr erst am Abend des 27.7.2018 aus der Muffe zunächst leicht und sodann vollständig gelöst hat. Dann wäre der gesamte Schaden in der Nachtzeit – außerhalb des regulären Praxisbetriebs – entstanden und stünde in keinem Zusammenhang mit der Betriebsschließung.“
Abdrehen des Hauptwasserhahns kann vom Mieter nicht verlangt werden
Ein Mieter ist nicht verpflichtet, bei jeder Abwesenheit aus seiner Wohnung den Hauptwasserhahn abzudrehen.
Das Gericht wörtlich:
“Nach diesen Maßstäben erachtet der Senat die Anforderung, der Hauptwasserhahn müsse bei Verlassen der Praxis zugesperrt werden, um der Gefahr von Rohrbrüchen vorzubeugen, für überspannt. Denn das Abdrehen eines Hauptwasserhahnes nach dem Verlassen einer Wohnung, um einen Rohrbruch zu verhindern, ist weder üblich, noch kann es von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden. Insofern hat der Sachverständige bekundet, es handele sich bei einer GF-Rohrverbindung um eine unlösbare Verbindung, die auf einen Druck bis 16 bar ausgelegt sei. In dem Haus habe aber gerade ein Wasserdruck von 4 bar geherrscht. Eine Kaltwasserleitung brauche auch nicht gegen eine mögliche Druckerhöhung abgesichert werden.
Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch keine generelle Pflicht besteht, Leitungen ohne konkreten Anlass einer Generalinspektion zu unterziehen und vorliegend kein konkretes Risiko eines Rohrbruchs, bspw. aufgrund des Alters der Sanitäranlagen, bestanden hat, war ein Absperren des Hauptwasserhahns bei alleiniger nächtlicher Abwesenheit nicht erforderlich. Im Gegenteil war das streitgegenständliche Rohr neu. Gegen mangelhafte Werkleistungen muss ein Versicherungsnehmer keine Vorkehrungen treffen.
Es liegt auch keine Obliegenheitsverletzung vor, weil der Versicherungsnehmer der Klägerin die Praxis verlassen hat, ohne die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzusperren. Nach der Aussage des Sachverständigen wäre dies technisch bei korrekter Montage des GF-Rohrs nicht erforderlich gewesen, weil eine sachgerechte Installation des Rohres unlösbar sei. Wenn bei einer sachgerechten Montage das Rohr dauerhaft dicht ist, gibt es keinen zwingenden Grund, die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzustellen.“
Was sagt der Experte?
Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:
1. Immer ein Einzelfall!
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Fachanwalt Wolfgang Reineke |