Vorgetäuschter Eigenbedarf – verheerende Folgen für Vermieter!

    Wenn ein Vermieter Eigenbedarf vortäuscht, kann dies sehr teuer werden. Der Mieter hat dann einen Schadenersatzanspruch. Der Anspruch umfasst nicht nur die angefallenen Umzugskosten sowie die eventuell entstandene Mieten—Doppelbelastung. Darüber hinaus muss er dem Mieter auch die Differenz zwischen der alten und der neuen – höheren – Miete für dreieinhalb Jahre bezahlen. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgericht Coesfeld vom 01.10.2019 (Aktenzeichen 4 C 156/19). Insgesamt wurden die Vermieter zur Zahlung von 5035, 60€ verurteilt.

    In dem Verfahren ging es um eine Eigenbedarfskündigung, die der Vermieter damit begründete, dass er die Wohnung nun selbst nutzen wolle. Der Mieter suchte sich daraufhin eine neue Wohnung und zog aus. Es stellte sich aber heraus, dass der Vermieter nicht in die Wohnung einzog, sondern diese neu vermietete. Der Mieter klagte deshalb vor dem Amtsgericht Coesfeld und verlangte Schadenersatz. Er verlangte Entschädigung für doppelte Mietbelastungen und die Differenz zwischen der alten und neuen, höheren Miete. Darüber hinaus verlangte er nicht nur die tatsächlich entstandenen Umzugskosten, sondern auch den Ersatz von Umzugskosten, wie sie in einem Kostenvoranschlag ermittelt wurden.

    Das zuständige Amtsgericht gab dem Mieter recht. Nach § 280 Abs. 1 („Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen…“) müsse der Vermieter Schadenersatz leisten. Da der Vermieter nach dem Freiwerden der Wohnung diese nicht bezog, liege der Verdacht nahe, dass ein Eigenbedarf nicht bestanden habe, sondern lediglich vorgeschoben wurde, um den Mieter aus dem Haus zu bekommen. Darum müsse der Vermieter begründen, warum er die Wohnung nun doch nicht bezogen habe. Diese Begründung hatte der Vermieter jedoch nicht erbracht.

    Das Gericht sprach dem Mieter folgende Schadenersatzansprüche zu:

      • Ersatz der tatsächlichen Kosten für den Umzug.
      • Die Kosten der doppelten Mietbelastung.
      • Die Differenz zwischen der alten und der neuen Miete für dreieinhalb Jahre. Diesen Wert ermittelte das Gericht aufgrund § 9 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    Hier geht es zum Gesamttext des Urteils.

     

    Was sagt der Experte?
    Fachanwalt Wolfgang Reineke gibt Tipps

     

    Was ist vorgetäuschter Eigenbedarf?

     

    Ein vorgetäuschter Eigenbedarf liegt dann vor, wenn Vermieter keinen ernsthaften Nutzungswillen haben und der Wohnraum nach der Kündigung entgegen der Angaben anders genutzt wird.

    Das ist auch dann der Fall, wenn der Bedarf bestanden hat und zwischenzeitlich weggefallen ist, denn Vermieter sind dazu verpflichtet, Mieter darüber zu informieren.

    Oft ist der Betroffene mit viel Aufwand bereits in eine neue Wohnung umgezogen. Der Mieter ist in diesem Fall berechtigt, alle finanziellen Schäden geltend zu machen, die er wegen des angeblichen Eigenbedarfs durch den Vermieter erlitten hat.

    Was zählt zum Schadensersatz?

    Dazu zählen Anwaltskosten für die Überprüfung und Abwehr der unberechtigten Kündigung, Kosten für die Wohnungssuche
    inklusive Inserate, Makler oder Ummeldung und schließlich die Umzugskosten. Unter Umständen kann der geprellte Mieter Renovierungskosten und sogar Mehrkosten geltend machen, weil die neue Wohnung teurer ist.

    Hier geht es zur Checkliste

    Schadensersatzansprüche hat der Mieter auch, wenn die Parteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, oder wenn die ursprüngliche Eigenbedarfssituation vor Auszug des Mieters kurzfristig entfällt und der Mieter nicht informiert wird.

    Droht auch eine Strafe wegen Betrugs?

    Ja, denn Vermieter übersehen oftmals, dass das Vortäuschen von Eigenbedarf auch erhebliche strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Es droht die Verwirklichung von einem Vermögensdelikt – etwa Betrug, aber auch eine Strafbarkeit hinsichtlich Aussagedelikten, wenn zum Beispiel vorsätzlich Zeugen für unwahre Sachverhalte benannt werden. Die strafrechtliche Verfolgung kann in eine Geld- oder Freiheitstrafe münden.

    Fundierter Rat ist unverzichtbar!

    Vor der Geltendmachung von Eigenbedarf ist die Einholung von fachanwaltlichem Rat unverzichtbar. Nur dann kann im Einzelfall geklärt werden, ob der Eigenbedarf berechtigt ist und eine Kündigung Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtsberatung erfolgt bei Haus & Grund im Rahmen der Mitgliedschaft und ist kostenfrei.

    Fachanwalt Wolfgang Reineke

     


    Checkliste

     

    Diese Schäden sind dem Mieter zu ersetzen

    • Umzugskosten: (LG Berlin GE 196, 1487), d. h. Kosten der Räumung der Wohnung (LG Saarbrücken WuM 95, 173), Beförderung des Umzugsguts, Makler- und Inseratskosten, Telefonummeldung (LG Karlsruhe DWW 95, 144), Umarbeiten von Vorhängen und Möbelstücken, Umbau einer Einbauküche (AG Bad Oldesloe WuM 95, 170).
    • Kosten des Räumungsprozesses, wenn die Rechtslage nicht eindeutig ist (LG Berlin ZMR 88, 387), also Gerichtskosten, Rechtsanwaltskosten, auch aus außergerichtlicher Inanspruchnahme (AG Heidelberg WuM 75, 67) und Kosten eines erforderlichen Detektivs (AG Hamburg WuM 97, 990, LG Berlin WuM 00, 313).
    • Kosten für die Renovierung der alten und ggf. neuen Wohnung sind zu ersetzen (AG Essen WuM 74, 197)
    • Mehrkosten für die Ersatzwohnung sind nur zu ersetzen, soweit diese Wohnung gleichen Wohnwert, gleiche Ausstattung und
      gleiche Qualität wie die geräumte Wohnung hat (LG Berlin WuM 88, 387). Zu ersetzen sind die notwendigen Kosten der Wohnungssuche. Der Mietdifferenzschaden ist höchstens für vier Jahre zu ersetzen (LG Darmstadt WuM 95, 165). Anders AG Waiblingen, WuM 19, 334: 24 Monate.
    • Um nachweisen zu können, dass ein vorgeschobener Eigenbedarf vorliegt, können Mieter auch einen Detektiv beauftragen. Deren Erkenntnisse sind gemäß einem Urteil der Landgerichte Berlin (65 S 403/89) und Gießen (1S102/89) verwertbar. Die Kosten können als Gerichtskosten gelten bzw. als Schadensersatz geltend gemacht werden.
    • Der Mieter hat auch einen Anspruch darauf, dass ihm seine alte Wohnung wieder überlassen wird und keinem Dritten, was durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden kann (LG Karlsruhe DWW 92,22). Der Anspruch besteht, solange die Wohnung noch nicht an einen Dritten vermietet worden ist.
    • Auf den Schadenersatzanspruch wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs sind die Leistungen des Vermieters anzurechnen, die er gemäß einer Vereinbarung in einem Mietaufhebungsvertrag an den Mieter zur Auflösung des Mietverhältnisses gezahlt hat (AG Hamburg-Harburg WuM 89, 391).