„Fuck you“ – Grund für fristlose Kündigung?
Urteil des Amtsgerichts Köpenick vom15.9.2020, Az. 3 C 201/19
Normalerweise lösen Vermieter und Mieter ihre Probleme sachlich. Manchmal aber auch mit Emotionen, mal mehr, mal weniger. Doch wenn eigene Aussagen als unglaubwürdig abgetan oder komplett ignoriert werden, dann kann es auch zur Überschreitung von „Grenzlinien“ mit der Folge von handfesten Beleidigungen oder sogar Drohungen kommen.
Da liegt es gerade vermieterseits oft nahe, dem betroffenen Mieter die „rote Karte“ zu zeigen, um ihn loszuwerden so schnell wie möglich.. Dabei ist aber zu beachten, dass der Vermieter nicht wegen jeder Pöbelei des Mieters das Vertragsverhältnis kündigen kann.
Klar ist in der Rechtsprechung: Unhöflichkeiten reichen nicht aus – die muss der Vermieter hinnehmen. Für eine Kündigung braucht man einen wichtigen Grund (§ 543 Abs.1 BGB.) Sie ist nämlich nur dann begründet, wenn der Mieter eine so erhebliche Pflichtverletzung begangen hat, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
Und wenn es ein Kündigungsgrund ist, dann stellt sich gleich die nächste Frage: Kann der Vermieter dann außerordentlich, d.h. fristlos kündigen oder muss er erst abmahnen? Die Rechtsprechung zu Kündigungen wegen Beleidigung oder Bedrohung ist fast unüberschaubar.
Der Fall des Amtsgericht Köpenick
Ein Vermieter und sein Mieter stritten über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Der Vermieter hatte das Mietverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt. Zur Begründung gab er an, dass der Mieter trotz Abmahnung vertragswidrig und ohne Erlaubnis die Mietwohnung mindestens einer weiblichen Person überlassen hatte. In der Mietwohnung sollten angeblich eine blonde und eine dunkelhaarige Frau wohnen. Zudem hatte der Mieter angeblich den Hausverwalter beleidigt. Anlässlich einer Begegnung mit einem Zeugen, soll der Mieter zu dem Hausverwalter „fuck you“ gesagt haben.
Das AG Köpenick war der Ansicht, dass das Mietverhältnis nicht wirksam gekündigt wurde, da kein den Vermieter zur Kündigung berechtigender Grund vorlag. Die unerlaubte Nutzung der Wohnung durch Dritte konnte der Vermieter dem Mieter nicht beweisen. Dass der Mieter zu dem Hausverwalter „fuck you“ gesagt hatte, reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
Nicht schwerwiegend und ehrverletzend genug
Solche Worte sollen nach Ansicht des Gerichts in einer angespannten Situation während eines Räumungsrechtsstreits nicht schwerwiegend und ehrverletzend sein. Die Fortsetzung eines Mietverhältnisses wird dadurch für einen Vermieter nicht unzumutbar (AG Köpenick, Urteil v. 15.09.20, Az. 3 C 201/19).
Das ganze Urteil können Sie hier lesen.
Weitere Entscheidungen aus der Rechtsprechung
Bei „Promovierter Arsch“ ist die rote Linie überschritten – sagt das Amtsgericht München.
Ein Mieter bemängelte gegenüber seinem Vermieter – der in demselben Haus lebte –, dass die Wassertemperatur in seinem Bad nicht 40 Grad, sondern nur 35 Grad erreichte. Als der Vermieter daraufhin den behaupteten Mangel überprüfen und deswegen die Wohnung besichtigen wollte, verweigerten deren Bewohner allerdings den Zutritt. Schließlich würden im ganzen Haus die erforderlichen 40 Grad nicht erreicht. Ein Wort wechselte das andere – so beschimpfte der Mieter den Vermieter mit „Sie promovierter Arsch“. Als der Vermieter daraufhin das Vertragsverhältnis fristlos kündigte, behauptete der Mieter, zu der Äußerung provoziert worden zu sein.
Kündigung war wirksam
Das Amtsgericht München hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Es sah darin eine erhebliche Pflichtverletzung, denn damit habe sich der Mieter nicht nur unhöflich verhalten, sondern die Ehre seines Vertragspartners verletzt. Hinzu kam, dass sich der Mieter bis zum Schluss nicht entschuldigt hat. Auch war ein Fortbestand des Mietverhältnisses für den Vermieter unter anderem deswegen unzumutbar, weil die Parteien in demselben Haus lebten und sich daher auch in Zukunft regelmäßig über den Weg gelaufen wären.
Dagegen konnte der Mieter keine Provokation durch den Vermieter nachweisen. Auch war eine vorherige Abmahnung vorliegend entbehrlich – das Gericht war der Ansicht, dass die Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragspartnern aufgrund der Beleidigung so erschüttert wurde, dass wohl auch eine Abmahnung das Verhältnis zwischen ihnen nicht mehr verbessert hätte. (AG München, Urteil v. 28.11.2014, Az.: 474 C 18543/14)
Beleidigung als „Rechtsradikaler“
Ebenfalls das Amtsgericht München stellte mit Urteil vom 9. Oktober 2013 (472 C 7153/13) bei einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter – dieser wurde als „Rechtsradikaler“ tituliert- fest, dass eine bedrohliche Geste gegenüber einem Mitmieter mit einer Beleidigung eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung begründen kann.
Dasselbe gilt für die Aussage: „Sie sind ein Schwein“ (Urteil vom 9.8.2013, Az. 411 C 8027/13)
Fäkalsprache reicht aus
Die Berechtigung zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung wurde angenommen bei Äußerungen wie „Du kannst mich am Arsch lecken, du verrücktes Arschloch“ (LG Köln, Urteil vom 21.01.1993, Az. 1 S 365/92).
„Russische Schlampe“ reicht für die rote Karte auch aus…
Das Landgericht Coburg führte zu einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter in einem Urteil aus, dass jedenfalls Beleidigungen wie „Fotze“, „russische Schlampe“, „russisches Schwein“, … (zumindest) eine ordentliche Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung rechtfertigen können. (Urteil vom 17. November 2008, 32 S 85/08)
Nicht nur mündlich möglich:
Mieter beleidigt Vermieter per SMS mit „dumme Kuh“ und „Arschloch“
Eine Beleidigung muss nicht mündlich ausgesprochen werden. Auch wer seinen Vermieter in Schriftform beleidigt, kann von diesem fristlos gekündigt werden. Dies geht aus einem Beschluss des Landgerichts Berlin hervor.
Im betroffenen Fall schickte ein Mieter an seinen Vermieter SMS mit beleidigenden Inhalten. Er bezeichnete den Vermieter als „dumme Kuh“ und als „Arschloch“. Der Vermieter kündigte daraufhin fristlos das Mietverhältnis.
Beleidigungen sind eine erhebliche Vertragsverletzung
Zu Recht, entschied das Landgericht Berlin. Die Beleidigungen stellten eine erhebliche Vertragsverletzung dar. Es sei dem Vermieter unzumutbar, das Mietverhältnis fortzusetzen (§ 543 Abs. 1 BGB), so dass er zu einer fristlosen Kündigung berechtigt sei. Erschwerend käme hier die Wiederholung der Beleidigung innerhalb weniger Tage hinzu.
SMS muss vom Handy des Mieters stammen
Allerdings müsse unzweifelhaft feststehen, dass die beleidigenden SMS vom Handy des Mieters stammten. Dies konnte durch eine Nachfrage bei der Telefongesellschaft, von welcher Nummer die SMS verschickt wurde, nachgewiesen werden.
Das Gericht schloss die bloße theoretische Möglichkeit aus, dass Dritte den Anschluss des Mieters gegen seinen Willen und ohne sein Wissen missbraucht haben könnten. Insbesondere der inhaltliche Bezug zum Mietverhältnis indiziere Kenntnisse des Anrufers, die Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich seien.
Mietverhältnis kann gekündigt werden, wenn ein Mieter den Lebensgefährten der Vermieterin beleidigt
Die Beleidigung muss nicht gegenüber dem Vermieter erfolgen.
Kränkt etwa der Mieter den Freund der Vermieterin, kann sie grundsätzlich den Mietvertrag sofort kündigen. Das zeigt ein von Amts- und Landgericht Coburg entschiedener Fall. Der Mieter hatte den Lebensgefährten der Vermieterin in drohender Haltung mit vulgären Ausdrücken beschimpft. Diese kündigte fristlos. Amts- und Landgericht gaben dem Räumungsbegehren der Vermieterin statt.
Und wenn Alkohol im Spiel ist?
Eine außerordentliche Kündigung wurde nicht als begründet angesehen, weil die Äußerungen im Zustand der Volltrunkenheit getätigt wurden (AG Köln, Urteil vom 3. November 1998, Az. 210 C 148/98).
Auch Äußerungen, die auf einer Provokation beruhten oder im Affekt erfolgten, berechtigen ggf. nicht zur außerordentlichen Kündigung. Bei einer solchen Sachlage können selbst Äußerungen, wie „Miststück“ und „Schlampe“, keine fristlose Kündigung nach sich ziehen. Es ist aber ggf. eine Abmahnung und/oder ordentliche Kündigung möglich.
Ehrverletzend oder Ausdruck „wertender Kritik?“
Äußerungen, die noch Ausdruck wertender Kritik sind, müssen vom Vermieter hingenommen werden müssen. So können im Ergebnis auch Vorwürfe wie „Heuschrecke“ und „Sauverein“ Äußerungen darstellen, die weder eine Abmahnung noch die ordentliche oder die außerordentliche Kündigung rechtfertigen (vgl. LG Lübeck vom 17. Juni 2011, 6 O 133/11).
Was prüfen die Gerichte?
Die Gerichte prüfen:
- wie schwer die Beleidigung ist
- ob der Vermieter die Beleidigung mit verschuldet hat, z. B. indem er den Mieter dazu provoziert oder einen erheblichen Mangel trotz mehrmaliger Aufforderung nicht behoben hat (BGH vom 4.6.2014, VIII ZR 289/13)
- ob der Mieter sein Handeln bereut und dies gegenüber seinem Vermieter auch zum Ausdruck bringt, z. B. durch eine Entschuldigung;
- ob davon auszugehen ist, dass auch in Zukunft mit weiteren Beleidigungen durch den Mieter zu rechnen ist.
Was sagt der Experte?
Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:
Liegt eine Beleidigung vor, dann stellen in der Praxis stellen sich die folgenden Fragen
Auf den Einzelfall bezogen ist festzustellen, ob die Beleidigung eine fristlose Kündigung gemäß den §§ 543, 569 BGB, eine ordentliche Kündigung nach § 573 BGB oder nur eine Abmahnung rechtfertigt. Die Abmahnung ist i.d.R. gemäß § 314 Abs. 2 BGB Voraussetzung für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen wegen einer Vertragsverletzung. Das Landgericht Köln [LG Köln, 21.01.1993, 1 S 365/92] sagt: „Wenn ein Mieter seinen Vermieter massiv beleidigt, so rechtfertigt dieses Verhalten eine fristlose Kündigung. Eine derartige Beleidigung ist beispielsweise gegeben, wenn wüste Beschimpfungen nicht als ein momentaner Kontrollverlust, sondern als bewusste Äußerungen und als unentschuldbar angesehen werden Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn sie nicht aufgrund einer Provokation oder im Zuge eines Streites fallen, sondern vollkommen bewusst gesagt werden.“ Eine Beleidigung muss mithin eine derart schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Wie ist die Beweislage?Der Sachverhalt muss dementsprechend sorgfältig hinsichtlich der Beweislage analysiert werden. Gibt es keine Zeugen ist Vorsicht geboten, denn sind die Erfolgsaussichten sind eher gering.
Ganz wichtig:
Konsultieren Sie vorab Ihren Haus & Grund-Anwalt! |
Fachanwalt Wolfgang Reineke |