Mietrecht: Für Querulanten gibt’s die „Rote Karte“! – Urteile der Amtsgerichte Garmisch-Partenkirchen und Augsburg
Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen:
Dauerhafte Störung des Hausfriedens nicht zumutbar
Wer fremdes Eigentum bewohnt, hat sich an Regeln zu halten und Pflichten zu erfüllen. Wer sich aber permanent über Mitbewohner beschwert, selbst für Lärm verantwortlich ist und auch noch ein klärendes Gespräch ablehnt, dessen Tage als Mieter sind gezählt.
Wenn ein Mieter fast täglich und sogar in der Nacht und an Feiertagen seinen Vermieter anruft um sich über andere Mieter zu beschweren, diese beleidigt und grundlos Polizei, Staatsanwaltschaft und Verwaltungsbehörden einschaltet, kann der Vermieter eine Kündigung aussprechen. Dies stellte das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen im Juli 2020 klar.
Ein Vermieter und sein Mieter stritten sich über die Rechtmäßigkeit einer vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung. Der Mieter hatte Monate lang mit querulatorischen Aktionen Vermieter und Hausbewohner terrorisiert. So hatte der Mieter beispielsweise im Hausflur „Verhaltensregeln“ ausgehängt, andere Hausbewohner als „kranke Psychopathen“ bezeichnet, Anzeigen bei Polizei, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft eingereicht und andere Hausbewohner mit Strafanzeigen und Strafanträgen bedroht, sowie andere Hausbewohner gegen deren Willen fotografiert und gefilmt. Insbesondere hatte der Mieter sich fast täglich beim Vermieter und der Hausverwaltung beschwert, und das sogar nachts und an Feiertagen. Der entnervte Vermieter kündigte dem Mieter nach Ausspruch einer Abmahnung und reichte eine Räumungsklage ein.
Zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet
Mit Erfolg! Das AG Garmisch-Partenkirchen entschied zu Gunsten des Vermieters, dass ein Kündigungsrecht gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen einer erheblichen schuldhaften vertraglichen Pflichtverletzung des Mieters bestand. Der Mieter war zur Wahrung des Hausfriedens und zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Diese Pflicht bestand gegenüber dem Vermieter und den übrigen Mitbewohnern des Hauses. Die Störung des Hausfriedens war dauerhaft, da der Mieter sich häufig beschwerte. Die Belästigungen und Bedrohungen anderer Mieter stellten ebenfalls eine unzulässige und nicht zumutbare Störung des Vermieters und der übrigen Hausbewohner dar (AG Garmisch-Partenkirchen, Urteil v. 29.07.20, Az. 6 C 281/19).
Das vollständige Urteil lesen Sie hier.
Amtsgericht Augsburg:
Verweigerung der Aussprache ist eine Vertragsverletzung
Auch das Amtsgericht Augsburg hatte über einen ähnlich liegenden Fall zu entscheiden. Der Mieter lag offenbar mit den anderen Bewohnern des Mehrfamilienhauses in einer Art Dauerfehde. Er hatte sich immer wieder über den Lärm anderer Mieter beschwert und ging mit den querulatorischen Beschwerden seiner Vermieterin auf die Nerven. Denn diese führten bei ihr nicht nur zu einem erheblichen Arbeitsaufwand, sondern auch zu Unverständnis und Unfrieden bei den anderen Mietern. Noch dazu fiel der Mieter selbst durch erheblichen Lärm auf, behielt grundlos die Miete ein und kam seinen Pflichten aus der Hausordnung auch nicht nach. Zudem verweigerte er ein Gespräch zur Konfliktlösung mit den anderen Mietern.
Diese Verfehlungen nahm die Vermieterin zum Anlass und kündigte das Mietverhältnis fristgerecht – was wiederum für Streit sorgte, der schließlich vor dem Amtsgericht Augsburg landete (Az.: 25 C 974/16). Mit dem Ergebnis, dass der Mieter ausziehen muss.
Der Mieter räumte vor Gericht ein, dass die Situation zwischen ihm und den anderen Mietern „konfliktbeladen“ sei. Aber eine Aussprache zur Beilegung des Konfliktes verweigere er. Das Gericht entschied, dass bereits die Weigerung der Aussprache und das Nichtmitwirken an der Konfliktlösung Pflichtverletzungen darstellen, welche eine fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen. Aus Sicht des Gerichts bestehe – unabhängig davon, wer für die Zerrüttung des friedlichen Nebeneinanders verantwortlich sei – die Verpflichtung des Mieters zur Beilegung des Konfliktes. Die Bemühungen des Vermieters und der anderen Mieter durch eine Verweigerungshaltung dürfe er nicht verhindern. Über die weiteren vorgeworfenen Pflichtverletzungen musste das Gericht nicht entscheiden. Das Gericht gab aber zu erkennen, dass in der Zusammenschau auch die weiteren Vorwürfe eine Kündigung hätten rechtfertigen können. Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem der Mieter seine zunächst eingelegte Berufung vor dem Landgericht Augsburg zurücknahm.
Was sagt der Experte?
Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema
Das Gesetz sieht vor, dass ein Vermieter ein Mietverhältnis nur dann kündigen kann, wenn er ein „berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses“ hat. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine „vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.“ Genau darin sieht Haus & Grund Fachanwalt Wolfgang Reineke in der Praxis die Schwierigkeit: „Eine solche Kündigung ist sorgfältig vorzubereiten. Es sind gleich mehrere Rechtsbegriffe zu interpretieren und einzuordnen. Was versteht man unter der „vertraglichen Pflicht“? Wann ist sie „verletzt“? Was bedeutet „schuldhaft“ und „nicht unerheblich“? Für Laien ohne Zugang zu Rechtsprechung ist es schwierig, diese Fachbegriffe richtig zu deuten.“ Vorangehen muss in jedem Fall eine hieb- und stichfeste und vor allem zeitnahe Abmahnung, aus der hervorgehen muss, was genau der Vermieter beanstandet, also eine genaue Schilderung des Vorfalls mit Ort- und Zeitangabe. Gerade in Fällen wie in den geschilderten sei dies oft nicht einfach, denn oft lägen die Geschehnisse schon einige Zeit zurück. Bewährt habe sich die Führung einer Art „Tagebuch“, in das man auch die Namen der Zeugen eintragen und von diesen gegebenenfalls sogar gegenzeichnen lassen könne. Aus diesen Gründen, so der Haus & Grund Fachanwalt, sei auch in „Fällen von Querulanten“ professioneller Rat unverzichtbar. |
Fachanwalt Wolfgang Reineke |