Kündigung fristgerecht eingeworfen – und trotzdem zu spät?

    – Urteil des Landgerichts Krefeld vom 21.9.2022 –

     

    Nach 22:00 Uhr in Briefkasten eingeworfene Kündigung geht erst am nächsten Tag zu

    Ein Mieter und sein Vermieter stritten sich über den Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung. Anfang Februar 2020 hatte der Mieter am 3. Werktag um 22:30 Uhr seine Kündigung des Mietverhältnisses in den Briefkasten des Vermieters eingeworfen. Vielleicht ahnte er schon, dass diese Uhrzeit für den Zugang seiner Kündigung problematisch werden könnte, denn – auf „Nummer sicher“- klingelte er kurz beim Vermieter und teilte ihm über die Gegensprechanlage mit, dass er eine Kündigung in den Briefkasten eingeworfen habe.

    Der Vermieter entnahm jedoch erst am nächsten Tag mit der übrigen Post die Kündigung aus dem Briefkasten. Nachfolgend entstand Streit, ob dem Vermieter die Kündigung noch rechtzeitig am dritten Werktag des Monats zugegangen war. Tatsächlich hatte der Mieter ja die Kündigung am dritten Werktag des Monats eingeworfen.

    Vermieter und Mieter stritten nun über die Höhe der Kautionsrückzahlung. Der Vermieter meinte, er könne mit der Miete für Mai 2020 aufrechnen. Der Mieter wandte ein, dass das Mietverhältnis bereits zum 30.4.2020 beendet war, ein Mietzahlungsanspruch für Mai 2020 somit nicht bestehe.

    Der Streit ging bis zum Landgericht. Das stellte klar, dass eine nach 22:00 Uhr in den Briefkasten des Erklärungsempfängers eingeworfene Kündigung erst am nächsten Tag zugehe. Das Gericht führte weiter aus, dass der Zugang der Kündigung auch nicht durch eine mündliche Information des Empfängers über den Einwurf der Kündigung in den Briefkasten vorverlegt werde.

     

    Schriftform nicht eingehalten

    Es bleibe dabei, dass eine nach 22:00 Uhr in einen Hausbriefkasten eingeworfene Kündigung erst am nächsten Tag zugeht. Zudem wäre die mündliche Mitteilung über die Kündigung, würde man sie als mündliche Kündigung ansehen, wegen Nichteinhaltung der Schriftform entsprechend § 568 BGB unwirksam. Es war dem Vermieter auch nicht zumutbar, den Briefkasten noch nach 22:00 Uhr auf den Eingang von wichtiger Post zu überprüfen.

     

    Nur bis 18 Uhr eingeworfene Schriftstücke gehen noch an diesem Tag zu

    Wann unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme vom Inhalt der Erklärung durch den Vermieter zu rechnen gewesen sei, richte sich danach, wann nach den gewöhnlichen Verhältnissen mit der Leerung des Briefkastens durch ihn zu rechnen war. Dabei sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (vgl. BGH v. 21.01.2004 – XII ZR 214/00).

    Durch den Einwurf der Kündigungserklärung am 04.02.2020 um 22:30 Uhr in den Briefkasten der Wohnung des Vermieters sei diese zwar in den Machtbereich des Vermieters gelangt. Doch nur bis um 18 Uhr in den Briefkasten eingeworfene Briefe gelten im Allgemeinen als noch am selben Tag zugestellt.

    Der Vermieter hatte daher wirksam aufgerechnet.

    Das ganze Urteil können Sie hier lesen.

    Es konnte auch offen bleiben, ob der Mieter am 04.02.2020 unmittelbar vor dem Einwurf der Kündigung in den Briefkasten den Vermieter über die Gegensprechanlage informierte, dass er in seinen Briefkasten ein Schreiben einwerfen wolle und dass es sich bei diesem Schreiben um die Kündigung des Mietvertrags handelte.

    Denn auch dann war die Kündigung nicht vor dem 05.02.2020 zugegangen, weil der Mieter dem Vermieter die schriftliche Kündigung nicht aushändigte. Im Übrigen wahrt die nur mündliche Information über den Einwurf einer Kündigung das Schriftformgebot nicht.

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Die Praxis lehrt:

    Eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen befasst sich oft nicht mit dem Inhalt einer Erkärung, sondern allein damit, ob sie dem Empfänger überhaupt zugegangen oder sonst formell in Ordnung ist.

    Deshalb hier eine kurze Zusammenstellung der am häufigsten entschiedenen Fälle am Beispiel einer Kündigung.

    Wann gilt eine Erklärung als zugegangen?

    Wenn unter gewöhnlichen Umständen damit zu rechnen ist, dass der Empfänger sie zur Kenntnis nehmen konnte. Nach §130 BGB) wird die Kündigung grundsätzlich wirksam, wenn der Empfänger von ihr Kenntnis nimmt, also etwa seine Post öffnet und das Kündigungsschreiben liest.

    Bei einem Einwurf in einen Briefkasten ist der Zugang dann bewirkt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme des Schreibens zu rechnen ist.

    Beachte:
    Verkehrsanschauung kann sich wandeln und regional unterschiedlich sein.
    Hierbei kann das Gericht zur Bestimmung des Zugangszeitpunkts auch eine (gewandelte) Verkehrsanschauung feststellen, z. B. dass aufgrund geänderter Lebensumstände eine spätere Leerung des Hausbriefkastens, etwa mehrere Stunden nach dem Einwurf oder bezogen auf eine „feste“ Uhrzeit am Tag, denkbar sei.

     

    Wer muss den Zugang der Kündigung beweisen?

    Der Kündigende trägt die Beweislast für den Zugang der Kündigung. Er sollte daher Stets den Kündigungszugang beweisen können, etwa durch schriftliche Bestätigung oder durch Zeugen.

     

    Wie muss die Kündigung ausgefertigt sein?

    Eine Kündigung muss immer schriftlich auf Papier erfolgen und handschriftlich unterschrieben sein. Per E-Mail oder Fax zu kündigen, ist rechtlich unwirksam.

     

    Wer muss die Kündigung unterschreiben?

    Die Kündigung muss von allen Personen unterschrieben werden, die den Vertrag unterzeichnet haben. Besondere Vorsicht ist geboten bei getrennt lebenden oder zwischenzeitlich verzogenen Vertragspartnern!

     

    Gibt es ein Recht auf Bestätigung des Erhalts der Kündigung?

    Nein. Sie können Ihren Mieter oder sonstigen Vertragspartner also nicht dazu zwingen, den Erhalt der Kündigung schriftlich zu bestätigen. Als Absicherung kann man einen neutralen Zeugen heranziehen, der das Schreiben einwirft oder übergibt. Bei einer Kündigung durch eine dritte Person sollte eine Originalvollmacht mit übergeben werden.

     

    Fachanwalt konsultieren

    Eine nicht form- oder inhaltsgerechte Kündigung kann verheerende Folgen und eine Kostenwelle unbekannten Ausmaßes auslösen. Um das auszuschließen sollten Vermieterkündigungen nie ohne Hinzuziehung des Fachanwalts von Haus & Grund gemacht werden. Er leitet auch die Rechtsschutzzusage in die Wege.

    Fachanwalt Wolfgang Reineke