Mieterkündigung ist unwirksam – Mietverhältnis trotzdem beendet?

    Ein Mietverhältnis, das von mehreren Mietern gemeinsam eingegangen wurde, kann nur durch eine gemeinsame Kündigung aller Mieter beendet werden kann. Eine Vorschrift, die sich in den meisten Mietverträgen so wiederfindet, aber oft nicht beachtet wird. Diese Regelung dient dazu, die Rechte und Pflichten aller Mietparteien zu schützen und damit sicherzustellen, dass eine Kündigung nicht einseitig zum Nachteil der anderen Mieter erfolgt.

    Eine Kündigung durch einen einzelnen Mieter ist deshalb in der Regel nicht möglich, wenn ein anderer Mieter das Mietverhältnis fortsetzen möchte und der Kündigung widerspricht.

     

    Keine Regel ohne Ausnahme

    In einem aktuellen Fall, der vor dem Amtsgericht Bad Segeberg verhandelt wurde, wurde jedoch eine wichtige Ausnahme von dieser Regelung anerkannt. Der Fall betraf ein Paar, das gemeinsam eine Mietwohnung angemietet hatte und sich später trennte. Nach der Trennung verließ die Frau die gemeinsame Wohnung, informierte den Vermieter darüber und erklärte einseitig die Kündigung des Mietverhältnisses. Ihr ehemaliger Partner, der weiterhin in der Wohnung lebte, verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Kündigung, sodass die Kündigung formal unwirksam blieb.

     

    Mietverhältnis beendet trotz unwirksamer Kündigung

    Im Jahr 2023 kam es dann zu einem Mietrückstand, und der Vermieter verklagte beide ehemaligen Partner auf Zahlung der ausstehenden Miete, da er der Ansicht war, dass die Kündigung der Frau aufgrund der fehlenden Zustimmung ihres Partners unwirksam sei und sie somit weiterhin als Mietpartei hafte. Das Amtsgericht Bad Segeberg wies die Klage aufgrund vorhandener Besonderheiten jedoch ab und entschied zugunsten der ehemaligen Mieterin. Das Gericht stellte fest, dass die Frau aufgrund ihrer Trennung und ihres Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung wirksam aus dem Mietverhältnis ausgeschieden sei, obwohl ihre Kündigung formal unwirksam war.

    Die Entscheidung des Gerichts stützte sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Das Gericht argumentierte, dass es dem Prinzip der Fairness widersprechen würde, die Frau weiterhin an das Mietverhältnis zu binden, obwohl sie die Wohnung verlassen hatte und ihr ehemaliger Partner allein darin verblieb und ihr den Zutritt verwehrte. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Frau, die nicht mehr in der Wohnung lebt und keine Möglichkeit hat, die Wohnung zu nutzen, wäre unbillig und unangemessen. Daher sei das Mietverhältnis mit ihr beendet, auch wenn die formalen Voraussetzungen einer gemeinsamen Kündigung nicht erfüllt waren.
    (AG Bad Segeberg, Urteil v. 23.05.24, Az. 17b C 66/23)

    Die ganze Entscheidung lesen Sie hier.

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Die Entscheidung des Amtsgerichts Bad Segeberg bei diesem verhältnismäßig häufig vorkommenden Sachverhalt ist als eine krasse Ausnahme zu betrachten. Das Gericht hat die formalen Anforderungen an eine Kündigung in den Hintergrund gestellt und stattdessen den Grundsatz von Treu und Glauben in den Vordergrund gerückt, um eine „faire und gerechte“ Lösung zu finden.

    Im vorliegenden Fall wurde anerkannt, dass es unzumutbar wäre, die ehemalige Mieterin weiterhin an das Mietverhältnis zu binden, obwohl sie keine Möglichkeit mehr hatte, die Wohnung zu nutzen und ihr ehemaliger Partner die alleinige Nutzung der Wohnung beanspruchte.

     

    Unsicherheit für Vermieter

    Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Gerichte dieser ungewöhnlichen Auslegung des § 242 BGB anschließen, denn diese Entscheidung birgt viel Unsicherheit und ein potenzielles Risiko für Vermieter, die nicht wissen können, ob sie es mit einer unwirksamen Kündigung zu tun haben oder nicht. Insbesondere könnte die Frage aufgeworfen werden, ob diese Entscheidung zu einer Aushöhlung der vertraglichen Vereinbarungen führt, wenn Mieter sich einseitig aus Mietverhältnissen zurückziehen können.

     

    Im Zweifelsfall Beratung einholen

    Bei Kündigungen von Mietverhältnissen mit mehreren Parteien ist im Zweifelsfall ein Gang zum Haus& Grund Anwalt unverzichtbar. Aufgrund des Kostenrisikos ist dieser Fall einmal mehr beispielhaft für das Vorhandensein und die Notwendigkeit einer Rechtsschutzversicherung.

    Fachanwalt Wolfgang Reineke