Streit um das Treppenhaus – Was darf dort abgestellt werden?
Urteil des Amtsgericht Berlin-Neukölln vom 1.6.2023; AZ – 10 C 121/22
Fahrräder, Kinderwagen, Rollatoren, E-Scooter, Möbel, Schuhe oder Blumentöpfe – die Frage, welche Gegenstände im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses abgestellt werden dürfen, sorgt nicht nur für Spannungen mit dem Vermieter, sondern auch für Unstimmigkeit zwischen den Bewohnern. Deshalb ist es wichtig und geboten festzulegen, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Wie weit geht also das Nutzungsrecht der Mieter in einem gemeinsamen Treppenhaus?
Was sagt der Bundesgerichtshof?
Bewohner eines Mehrfamilienhauses haben das Recht, die Gemeinschaftsflächen des Hauses und damit auch das Treppenhaus, zu nutzen. Das hatte der Bundesgerichtshof bereits früher in einem Urteil (BGH Az. V ZR 46/06) klargestellt.
Doch was genau beinhaltet dieses Recht auf „Nutzung des Treppenhauses“? Immer wieder müssen sich die Gerichte mit Einzelfällen befassen. So jetzt auch wieder in Berlin.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der Fall drehte sich um eine 4-Zimmer-Wohnung in Berlin. Die Vermieterin hatte einer Mieterin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass die Mieterin und deren Tochter wiederholt einen Kinderwagen und andere Gegenstände im Hausflur abgestellt hatten. Zudem warf die Vermieter der Mieterin vor, auch Müllsäcke vor der Wohnungstür gelagert zu haben.
Gerichtliche Bewertung der Vorwürfe
Das Amtsgericht Neukölln kam zu dem Ergebnis, dass diese Vorwürfe im konkreten Fall keine ausreichende Grundlage für eine Beendigung des Mietverhältnisses darstellten. Bezüglich des Kinderwagens stellte das Gericht klar, dass Mieter einen Kinderwagen dann im Hausflur abstellen dürfen, wenn dies notwendig sei und auch unter Berücksichtigung des Brandschutzes die Größe des Hausflurs es zulasse. Das gelte auch für Besucher der Mieterin.
Beurteilung weiterer Kündigungsgründe
Hinsichtlich der Müllentsorgung stellte das Gericht fest, dass es sich offensichtlich im konkreten Fall nur um ein kurzzeitiges Abstellen von Mülltüten vor der Wohnungstür zum Zweck der späteren Entsorgung gehandelt habe. Dies stelle keinen Verstoß gegen die Hausordnung dar. Dass der Müll über längere Zeit im Flur gelagert worden sei, sei nicht nachgewiesen worden.
Was sagt der Experte?
Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:
Vorab: Der Vermieter ist dafür verantwortlich, dass das Treppenhaus gefahrlos von den Bewohnern und deren Besucher genutzt werden kann. Präzisieren kann er dies am einfachsten im Mietvertrag mit einer dort festgelegten Hausordnung, die bestimmt, was im Treppenhaus erlaubt und was verboten ist.
Aber Achtung bei einer vermieteten Eigentumswohnung!In den Teilungserklärungen sind fast immer auch Gemeinschaftsregeln enthalten, an die sich die Eigentümer halten müssen. Die gelten auch für deren Mieter.
Was haben die Gerichte schon entschieden?Flucht- und Brandschutzwege müssen frei sein!Zweck des Treppenhauses ist in erster Linie allen Bewohnern einen sicheren Zugang zu ihrer Wohnung ermöglichen. Stolperfallen oder zugestellte Flucht- und Rettungswege sind verboten. Die persönliche Nutzung des Treppenhauses ist für die Bewohner daher nur eingeschränkt möglich.
Kann der Vermieter Fahrräder im Hausflur verbieten?Abgestellte Fahrräder im Treppenhaus behindern oft den Zugang und sind daher immer wieder Anlass für Ärger. Gibt es im Haus einen Fahrradraum, darf in der Hausordnung ein Verbot für Fahrräder im Flur geregelt werden, entschied das Landgericht (LG) Hannover (Az. 20 S 39/05). Gibt es keine Möglichkeit das Fahrrad in einem Raum abzustellen, darf der Mieter das Fahrrad mit in seine Wohnung nehmen, so das Amtsgericht Münster (Az. 7 C 127/93). Wer dabei das Treppenhaus beschädigt, haftet auf Schadensersatz.
Kinderwagen und Mülltüten im TreppenhausKann der Kinderwagen ohne Probleme mit in die Wohnung genommen werden, gehört er nicht ins Treppenhaus. Ist dies nicht möglich, dürfen Kinderwagen im Treppenhaus abgestellt werden, wenn damit keine Rettungswege zugestellt werden. Selbst wenn es einen Abstellraum für Kinderwagen gibt, müssen Mieter diesen tagsüber nicht nutzen, stellt das Oberlandesgericht Hamm (Az. 15 W 444/00) klar. Der Kinderwagen muss erst abends im Abstellraum stehen. Stellt ein Mieter kurzfristig Mülltüten im Treppenhaus ab, darf ihm aus diesem Grund nicht gekündigt werden, entschied das AG Berlin-Neukölln (Az.10 C 121/22). Stürzt ein Hausbewohner, weil er einen Kinderwagen wegschieben will, der im Treppenhaus vor den Briefkästen steht und diese blockiert, haftet dafür nicht der Kinderwagenbesitzer. Ein Kinderwagen, der im Treppenhaus abgestellt wird stellt laut LG Koblenz (Az. 4 O 213/21) keinen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht dar.
Darf ein Rollator im Hausflur abgestellt werden?Gehbehinderten Menschen ist es nicht zu zumuten ihre Gehhilfe oder ihren Rollator mit in ihre Wohnung in einem oberen Stockwerk zu tragen, entschied das AG Hannover (Az. 503 C 3987/05). Aus diesem Grund kann der Vermieter das Abstellen eines Rollators im Treppenhaus nicht verbieten. Doch auch hier gilt: Rettungswege müssen frei bleiben.
Dürfen Möbel im Treppenhaus stehen?Schuhschränke, Regale oder Garderoben im Treppenhaus dürfen keine Stolperfalle sein oder Rettungswege zustellen. Das Bayerische OLG (Az. 2Z BR 135/97) verlangt schon für das Aufhängen von Kleiderhaken im Treppenhaus die Zustimmung des Vermieters. Auch das Aufhängen einer kompletten Garderobe bedarf nach einer Entscheidung des OLG München (Az. 34 Wx 160/05) der Erlaubnis der Eigentümergemeinschaft. Ein kleiner Schuhschrank, der niemanden behindert und schon seit Jahrzehnten im Treppenhaus steht, darf aber stehen bleiben, urteilte das AG Köln (Az. 222 C 426/00). Der Vermieter kann vom Mieter das Entfernen von Möbelstücken aus dem Treppenhaus verlangen. Kommt der Mieter dem nicht nach, kann der Vermieter ihm deshalb nicht fristlos kündigen, entschied das AG Hamburg (Az. 49 C 209/20). Die Vertragsverletzung des Mieters sei in diesem Fall nicht schwerwiegend genug, dass sie eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Kann der Vermieter Fußmatten vor der Wohnungstür verbieten?Fußmatten vor der Wohnungstür sind häufig ein Stein des geschmacklichen Anstoßes. Das AG Berlin-Neukölln (Az. 7 C 21/03) hat entschieden, dass ein Vermieter das Auslegen von Fußmatten vor der Wohnungstür mietvertraglich verbieten darf.
Dürfen Schuhe vor der Wohnungstür stehen?Der Mieter hat kein Recht darauf seine Schuhe vor der Wohnungstür im Hausflur abzustellen. Der Vermieter steht insoweit ein Unterlassungsanspruch zu, entschied das AG Frankfurt/Main (Az. 33 C 2354/21). Das Gericht verwies darauf, dass dem Mieter schließlich kein unangemessener Nachteil dadurch entstehe, dass er die Schuhe hinter der Wohnungstür in seiner Wohnung abstellt.
Darf der Mieter Türschilder und Bilder im Treppenhaus aufhängen?Ein dezentes Türschild mit dem Aufdruck „Herzlich Willkommen“ darf ein Mieter anbringen, entschied das LG Hamburg (Az. 333 S 11/15). Bilder dürfen nur mit Zustimmung des Vermieters im Treppenhaus aufgehangen werden, entschied das AG Köln (Az. 220 C 27/11).
Blumendekoration und Blumentöpfe im HausflurGroße Dekorationen oder Blumen-Arrangements sind im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses nicht erlaubt. Eine solche Nutzung geht über den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache hinaus, entschied das AG Münster (Az. 38 C 1858/08) im Fall einer Erdgeschoss-Mieterin, die den gemeinsam genutzten Flur und das Treppenhaus mit zahlreichen Dekorationsartikeln dekoriert, Lampen ausgetauscht und vor ihre Wohnungstür eine auffällige Fußmatte in Form einer amerikanischen Flagge ausgelegt hatte. Der Vermieter hat das Recht Blumentöpfe und Deko im Treppenhaus zu untersagen, selbst wenn er es vorher jahrelang geduldet hat, entschied das AG Frankfurt/Main (Az. 33 C 3648/17). Nach einem Urteil des AG Münster (Az. 3 C 2122/03) kann ein Mieter die Miete nicht mindern, wenn der Vermieter im Treppenhaus eine Madonna-Figur aufstellt. Eine solche Figur führe auch bei einem protestantischen Mieter zu keinem „besonderen Schock“, der eine Gebrauchsuntauglichkeit der Wohnung begründen würde. Allein Überempfindlichkeiten gäben kein Recht zur Mietminderung, so der Münsteraner Amtsrichter.
Müssen Mieter Gerüche oder Gestank im Treppenhaus hinnehmen?Ob Essensgerüche oder Müllgestank: Gerüche im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses bietet oft Anlass zum Streit unter den Bewohnern. Dringen dauerhaft schlechte Gerüche aus einer Wohnung in das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses und sogar in die Wohnungen anderer Mitbewohner, ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Wann unzumutbare Geruchsbelästigungen vorliegen, muss im Einzelfall durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden, so lautet eine Entscheidung des LG Berlin (Az. 65 S 296/10). Ein Mieter darf seine Wohnung nicht über das Treppenhaus lüften. Im zu entscheidenden Fall stellte das AG Saarbrücken (DWW 94, 186) fest, dass ein Vermieter unzumutbaren Gestank der aus einer Wohnung drang, nicht hinnehmen muss. Mieter, die durch erhebliche Essens- und Müllgerüche aus einer anderen Wohnung sowie Hundeurin im Treppenhaus belästigt werden, haben nach einer Entscheidung des AG Berlin-Charlottenburg (Az. 213 C 94/10) einen Anspruch auf Minderung der Miete. Die Gerüche von exotischem Essen, die in das Treppenhaus dringen, müssen aber von den Nachbarn geduldet werden, entschied das AG Hamburg-Harburg (WM 93, 39).
Darf im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses geraucht werden?Das Rauchen im Treppenhaus ist in den meisten Fällen untersagt und wird häufig in der Hausordnung geregelt. Der BGH (Az. VIII ZR 186/14) hat dazu entschieden, dass eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch, die ein Mieter durch einfache und zumutbare Maßnahmen – etwa durch Fensteröffnen und Lüften – verhindern könnte, im Einzelfall eine Störung des Hausfriedens und eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme darstellen kann, insbesondere, wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches und gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreicht. |
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