Urteil des Monats


Mieter installiert ungenehmigt eine Markise auf seinem Balkon – darf er das?

LG Berlin, Urteil v. 13.03.23, Az. 64 S 322/20

 

Der Sommer ist bald in Sicht und deshalb sehnen sich auch viele Mieter nach einer Markise auf ihrem Balkon. Sie sehen sich aber oft durch den Mietvertrag daran gehindert.

So auch geschehen in Berlin, wo das Gericht über folgenden Sachverhalt zu entscheiden hatte:
Ein Mieter wollte zur Reduzierung des Sonnenlichts eine Markise an seinem Balkon installieren. Der Vermieter befürchtete, dass durch die Installation einer Markise Schäden am Außenputz, dem Wärmeverbundsystem und dem Mauerwerk entstehen könnten. Deshalb verweigerte er die Erlaubnis. Der Mieter reichte eine Klage ein.
Mit Erfolg! Der Mieter war nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich berechtigt, zur Herstellung eines ausreichenden Sonnenschutzes eine Markise an dem Balkon anzubringen. Das Anbringen einer Markise sei, so das Gericht, sozialüblich und stelle keine größere optische Beeinträchtigung als ein Sonnenschirm dar. Der vom Gericht bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass durch die Installation einer Markise keine Schäden am Außenputz, dem Wärmeverbundsystem und dem Mauerwerk entstehen könnten.

Ein Vermieter kann als Gegenleistung für seine Genehmigung allerdings vom Mieter eine fachgerechte Montage, Abschluss einer Haftpflichtversicherung und eine zusätzliche Kaution fordern. Die Höhe der zusätzlichen Kaution sollte sich an den voraussichtlichen Kosten der Entfernung einer Markise orientieren (LG Berlin, Urteil v. 13.03.23, Az. 64 S 322/20).

Das ganze Urteil lesen sie hier.

 

Ähnlich urteilte auch schon das Amtsgericht München:

Mit seinem Urteil vom 07.06.2013 (Aktenzeichen 411 C 4836/13 ) wurde entschieden, dass ein Mieter auf seinem Balkon eine Markise anbringen darf.

Geklagt hatte ein Mieter einer Wohnung in München. Er wollte auf seinem Balkon eine Markise anbringen und bat seinen Vermieter um Zustimmung. Nachdem der Vermieter die Zustimmung verweigerte, erhob der Mieter Klage und beantragte, seinen Vermieter zur Duldung des Anbringens einer Markise zu verurteilen.

Der Vermieter lehnte den Anbau einer Markise ab, denn das sei überflüssig. Der Balkon sei komplett überdacht und es würde auch ein Sonnenschirm für ausreichend Schatten sorgen können. Außerdem würden dann eventuell andere Mieter ebenfalls eine Markise anbringen und das einheitliche Erscheinungsbild des Hauses werde gefährdet.

Der Mieter erwiderte, ein Sonnenschirm reiche nicht aus, eine optische Verschlechterung sei nicht zu befürchten, weil der Balkon nicht einsehbar sei.

Das Gericht gab dem Mieter Recht und verurteilte den Vermieter zur Duldung. Der Mieter habe ein Recht auf vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung.

Der Sonnenschutz auf Balkonen gehöre zum sozial üblichen Verhalten und sei ein berechtigter Gebrauch des Mieters der Wohnung. Ein ausreichender Schutz vor Sonne könne durch einen Sonnenschirm nicht ausreichend ermöglicht werden, weil die Sonne im Lauf eines Tages aus verschiedenen Richtungen auf den Balkon scheinen würde und ein Schirm nur einen kleinen Radius abdecke.

Der Balkon könne durch die starke Sonneneinstrahlung gerade an „Balkontagen“ nicht genutzt werden. Auch sei das Aufstellen mehrerer Sonnenschirme nicht zumutbar. Das Erscheinungsbild werde außerdem dadurch mehr beeinträchtigt als durch eine Markise.

Zwar müsse eine Markise verschraubt werden und stelle daher eine bauliche Veränderung dar, die genehmigungspflichtig ist. Doch stehe es dem Vermieter nicht frei, eine Genehmigung zu verweigern. Zur Erteilung der Genehmigung sei er verpflichtet, wenn sein Eigentumsrecht nur geringfügig beeinträchtigt werde und demgegenüber aber der Mieter in seinem Wohngebrauch zu stark beeinträchtigt wäre.

Zudem habe sich der Mieter bereiterklärt, bei der Auswahl der Markise die Wünsche der Vermieterin zu berücksichtigen. Damit bleibe eine einheitliche Erscheinung eher gewahrt als wenn jeder einzelne Mieter ein bis zwei Schirme von verschiedenen Farben aufstellen würde. Markisen seien üblich und stellen im Gegensatz zu Parabolantennen keine optische Störung dar. Außerdem könne der Mieter bei Auszug die bauliche Veränderung wieder rückgängig machen und habe dies auch zugestanden. Eine starke Einschränkung des Vermieters sei daher nicht erkennbar, andererseits würde die Maßnahme für den Mieter ein wesentlich angenehmeres Wohnen bedeuten. 

Das ganze Urteil lesen sie hier.

 

 

 

Was sagt der Experte?

Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

 

Es geht um den „Gebrauch einer Mietsache“. Nach der Rechtsprechung handelt sich dabei um ein „Grundrecht“ des Mieters. Sie sagt hierzu, dass es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Vermietern nicht gestattet ist, einem Mieter ohne triftigen Grund etwas zu versagen, das diesem sein Leben n der Wohnung angenehmer gestalten könnte und durch das der Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt wäre.

Deshalb stehe es dem Vermieter insoweit nicht frei, eine Genehmigung zu verweigern. Er sei hierzu sogar verpflichtet, wenn sein Eigentumsrecht überhaupt nicht oder nur in geringen Umfang beeinträchtigt werde.

Was nun innerhalb eines „vertragsgemäßen Gebrauchs“ zu verstehen ist – das ist im Einzelnen sehr umstritten, insbesondere wenn es um die Abgrenzung von Schäden geht.

 

Was ist „normale Abnutzung“- was ist ein „Schaden“

Entstehen im Rahmen dieses vertragsgemäßen Gebrauchs der Wohnung normale Abnutzungen an der Immobilie, dann ist es grundsätzlich Sache des Vermieters, diese Abnutzungen auf eigene Kosten zu beseitigen. Ein Mietvertrag erlaubt es dem Mieter aber nicht, die Mietwohnung zu beschädigen.

So kommt es bei den nachfolgend dargestellten und immer wiederkehrenden Sachverhalten regelmäßig zu Streitfällen:
Farblicher Anstrich, Bodenbelag, Einbauten des Mieters, Dübellöcher, Rauchen, um nur einige zu nennen.

Für Laien ist es nicht einfach zu erkennen, ob es sich um noch um eine „vertragsgemäße Abnutzung“ oder schon um einen Schaden handelt. Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird ein Sachverständigengutachten eingeholt. Spätentens dann wird klar, wie wertvoll eine Rechtsschutzversicherung für Vermieter ist!

Lassen Sie sich im Zweifelsfall von Ihrem Haus & Grund Anwalt beraten.

Fachanwalt Wolfgang Reineke

 

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Beratungsthemen in den Haus & Grund Vereinen

 

Mehr als die Hälfte aller Rechtsberatungen entfallen auf die Beratungsklassiker „Betriebskosten, inkl. Heizkosten“ und „Wohnungsmängel“. Sie sind die dominierenden Rechtsberatungsthemen.

Das dritthäufigste Beratungsthema bleiben die Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete mit einem Anstieg auf jetzt 12,8 Prozent. Hier spiegeln sich Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten mit zuletzt stark steigenden Mieten wieder.

Unter „Allgemeine Vertragsangelegenheiten“, Platz 4 der häufigsten Beratungsthemen, fallen alle Rechtsberatungen, die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis als Hintergrund haben, sowie Beratungen im Vorfeld bzw. beim Abschluss des Mietvertrages. Das sind beispielsweise Fragen zur Mietpreisbremse, zu Staffel- oder Indexmieten, zu Wohnungssuche und Wohnungsbesichtigung, zu Wohngemeinschaften, bis hin zu Fragen, ob Tierhaltung erlaubt, die Haustür abends abgeschlossen werden muss oder wie laut gefeiert werden darf.

Mehr als jede 10. Rechtsberatung dreht sich um die Themen „Mietkaution“ und „Schönheitsreparaturen“. Meistens geht es um Fragen, ob und wann der Vermieter die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzahlen muss, ob der Vermieter das Kautionsguthaben verrechnen darf, zum Beispiel mit Ersatzansprüchen wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen.

Beratungen zur „Vermieterkündigung“ sind fast doppelt so häufig wie Beratungen zum Thema „Mieterkündigung“, typisch für die Entwicklung auf engen Wohnungsmärkten.

Der Beratungsbedarf zum Thema „Modernisierung“ lag 2018 noch bei 3,3 Prozent. Auch wenn nur rund 1 Prozent des Wohnungsbestandes 2018 modernisiert wurde, sorgen drastische Mietpreissteigerungen nach durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen für eine entsprechende Nachfrage nach Beratungen.

 

 Streitgegenstand in Mietrechtsprozessen

2018 2017 2016
1. Vertragsverletzungen 26,8 % 27,4 % 26,7 %
2. Mieterhöhung 21,3 % 16,6 % 17,3 %
3. Betriebskosten 18,1 % 19,4 % 20,9 %
4. Mietkaution 15,3 % 16,2 % 16,1 %
5. Eigenbedarf 6,2 % 5,9 % 5,2 %
6. Fristlose Kündigung 4,9 % 5,5 % 5,0 %
7. Modernisierung 1,7 % 1,8 % 1,9 %
7. Ordentliche Kündigung 1,7 % 1,5 % 1,5 %
9. Schönheitsreparaturen 0,7 % 1,0 % 0,9 %

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