Urteil des Monats


Ist Staubsaugen am Mittag erlaubt?

Urteil des Amtsgericht Singen vom 29.04.2022 – 1 C 235/21


Statistisch gesehen ist Lärm eines der häufigsten Probleme, mit denen Mieter und Vermieter konfrontiert sind. Die Hauptursachen für Lärmbelästigungen in Wohngebieten sind häufig alltägliche Aktivitäten, die übermäßigen Lärm verursachen, wie z.B. das Spielen von Musikinstrumenten, Haushaltsgeräte oder Party. Oder Staubsaugen – wie ein Urteil des Amtsgerichts Singen zeigt.

Was sagt das Gesetz? Die gesetzlichen Ruhezeiten gelten meist zwischen 22 Uhr und 7 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen. In diesen Zeiten ist Lärm, der über das übliche Maß der Zimmerlautstärke hinausgeht, in der Regel nicht gestattet. Zimmerlautstärke bedeutet, dass Geräusche nicht außerhalb der betreffenden Wohnung wahrgenommen werden sollten.

 

Wie lag der Fall?

Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung in Singen fühlte sich durch den Lärm gestört, den die Mieterin in der darüberliegenden Wohnung verursachte. Das ohnehin hellhörige Mehrfamilienhaus hatte keine Trittschalldämmung. Die Mieterin im ersten Stock lüftete morgens um 7 Uhr, bewegte sich anschließend durch die Wohnung, öffnete und schloss die Fenster. Das verlief natürlich nicht geräuschlos. Zudem hatte sie – so eine Nachbarin aus dem Erdgeschoss – die Angewohnheit, täglich gegen 12 Uhr zum Staubsauger zu greifen.

Das wollte die Erdgeschossbewohnerin nicht länger hinnehmen und klagte vor dem Amtsgericht Singen auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung.

Ohne Erfolg!
Das Gericht blieb von der Schilderung dieser Art von Lärm unbeeindruckt. Vielmehr stellte es sich auf den Standpunkt, dass die geschilderten Belästigungen als Bagatelle zu werten seien und entschied:
Hausbewohner dürfen mittags Staubsaugen. Geräusche, die beim Bewegen von Fenstern und Türen entstehen, gehören zum Alltagsleben. Sie seien daher hinzunehmen. 

Selbst eine Hausordnung könne nicht vorgeben, dass jedes störende Geräusch zu vermeiden sei. Bei gewöhnlichen Tätigkeiten im Alltag entständen nun mal Geräusche. Es könne nicht erwartet werden, dass sich Menschen in ihren Wohnungen nach Ende der Nachtruhe schleichend fortbewegen und mucksmäuschenstill verhalten. Staubsaugen zur Mittagszeit oder Fenster- und Türenschließen am Morgen verursachen Geräusche, die von Nachbarn zu tolerieren sind. Es besteht keine Pflicht, sogenannten sozialadäquaten Lärm zu vermeiden. So entschied das Amtsgericht Singen. Geräusche durch Tätigkeiten im Alltag müssen hingenommen werden.

 

 

Was sagt der Experte?

Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

 

1. Eine allgemeine Mittagsruhe ist weder bundesgesetzlich noch durch Landesgesetze geregelt. Lediglich in kommunalen Lärmschutzverordnungen finden sich vereinzelt Regelungen zur Mittagsruhe.

2. An einem Schutz der Mittagsruhe durch Gesetz und Rechtsprechung auch außerhalb des Anwendungsbereichs einer kommunalen Lärmschutzverordnung fehlt es dennoch nicht. Für erhebliche Lärmbelästigungen kann gemäß § 117 OWiG ein Bußgeld verhängt werden.

Gesetzliche Regelungen zu den Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen finden sich in dem sog. Sonn- und Feiertagsgesetz. Meist gibt es außerdem örtliche Bestimmungen der jeweiligen Gemeinde oder Stadt, in der sich das Mietshaus befindet.

Danach ist in der Regel sonntags und feiertags immer ganztägig Ruhe zu halten – also von 0:00 Uhr morgens bis 24:00 Uhr nachts.

An diesen Tagen sollte man daher generell z.B. auch auf lautes Staubsaugen verzichten.

Der Vermieter muss sicherstellen, dass alle Mieter die Hausordnung einhalten. Bei wiederholten Verstößen gegen die Ruhezeiten ist es seine Aufgabe, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

 

Informationspflicht:

Selbstverständlich sollte der Mietvertrag die geltende Hausordnung enthalten.Vermieter sollten ihre Mieter über geltende Ruhezeiten und Lärmregelungen informieren.

Bauliche Maßnahmen:
In manchen Fällen kann es empfehlenswert sein, bauliche Veränderungen vorzunehmen, um den Schallschutz zu verbessern. Schon das Legen eines Teppichbodens kann spürbare Abhilfe bringen.

Rechtliche Schritte:
In extremen Fällen kann der Vermieter gezwungen sein, rechtliche Schritte gegen den störenden Mieter einzuleiten, bis hin zur Kündigung.

Fachanwalt Wolfgang Reineke

 

 

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Beratungsthemen in den Haus & Grund Vereinen

 

Mehr als die Hälfte aller Rechtsberatungen entfallen auf die Beratungsklassiker „Betriebskosten, inkl. Heizkosten“ und „Wohnungsmängel“. Sie sind die dominierenden Rechtsberatungsthemen.

Das dritthäufigste Beratungsthema bleiben die Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete mit einem Anstieg auf jetzt 12,8 Prozent. Hier spiegeln sich Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten mit zuletzt stark steigenden Mieten wieder.

Unter „Allgemeine Vertragsangelegenheiten“, Platz 4 der häufigsten Beratungsthemen, fallen alle Rechtsberatungen, die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis als Hintergrund haben, sowie Beratungen im Vorfeld bzw. beim Abschluss des Mietvertrages. Das sind beispielsweise Fragen zur Mietpreisbremse, zu Staffel- oder Indexmieten, zu Wohnungssuche und Wohnungsbesichtigung, zu Wohngemeinschaften, bis hin zu Fragen, ob Tierhaltung erlaubt, die Haustür abends abgeschlossen werden muss oder wie laut gefeiert werden darf.

Mehr als jede 10. Rechtsberatung dreht sich um die Themen „Mietkaution“ und „Schönheitsreparaturen“. Meistens geht es um Fragen, ob und wann der Vermieter die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzahlen muss, ob der Vermieter das Kautionsguthaben verrechnen darf, zum Beispiel mit Ersatzansprüchen wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen.

Beratungen zur „Vermieterkündigung“ sind fast doppelt so häufig wie Beratungen zum Thema „Mieterkündigung“, typisch für die Entwicklung auf engen Wohnungsmärkten.

Der Beratungsbedarf zum Thema „Modernisierung“ lag 2018 noch bei 3,3 Prozent. Auch wenn nur rund 1 Prozent des Wohnungsbestandes 2018 modernisiert wurde, sorgen drastische Mietpreissteigerungen nach durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen für eine entsprechende Nachfrage nach Beratungen.

 

 Streitgegenstand in Mietrechtsprozessen

2018 2017 2016
1. Vertragsverletzungen 26,8 % 27,4 % 26,7 %
2. Mieterhöhung 21,3 % 16,6 % 17,3 %
3. Betriebskosten 18,1 % 19,4 % 20,9 %
4. Mietkaution 15,3 % 16,2 % 16,1 %
5. Eigenbedarf 6,2 % 5,9 % 5,2 %
6. Fristlose Kündigung 4,9 % 5,5 % 5,0 %
7. Modernisierung 1,7 % 1,8 % 1,9 %
7. Ordentliche Kündigung 1,7 % 1,5 % 1,5 %
9. Schönheitsreparaturen 0,7 % 1,0 % 0,9 %

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