Urteil des Monats


„Das war schon immer so“ – Ist ein Abnahmeprotokoll ein Schuldanerkenntnis?

Bis zur letzten Stunde eines Mietvertrags kann viel Geld für einen Vermieter auf dem Spiel stehen, wenn man bei der Rückgabe der Wohnung Fehler macht. Diese bittere Erfahrung musste eine Stuttgarter Vermieterin machen.

Das war der Sachverhalt

Die Mieterin einer Wohnung in Stuttgart vereinbarte mit seiner Vermieterin die Aufhebung des Mietverhältnisses. Bei der Herausgabe der Wohnung wurden alle vorhandenen Mängel in einem Rückgabeprotokoll aufgelistet und von der Mieterin unterzeichnet. So weit so gut. Die Summe der Mängel überstiegen die zu Beginn des Mietverhältnisses hinterlegte Kaution. Aber die Mieterin forderte trotzdem die Auszahlung der Kaution. Doch die Vermieterin will die Mietkaution von 800 Euro nicht auszahlen. Es kommt es zum Streit.

Die Vermieterin verweigerte die Auszahlung mit der Begründung, dass die Wohnung vom Mieter zu verantwortende Mängel aufweise, die nach dem Auszug behoben werden müssten. Die Mängel seien schließlich im Rückgabeprotokoll vermerkt und vom Mieter schriftlich bestätigt.

Der Mieter hingegen gab an, das Protokoll in dieser Form unterschrieben zu haben, weil es lediglich den tatsächlichen Zustand der Wohnung bei seinem Auszug wiedergebe. Er habe das Protokoll unterschrieben, da es lediglich den tatsächlichen Zustand der Wohnung beschrieben habe. Der habe schon bei seinem Einzug so bestanden.

Da sich die Parteien nicht einigen konnten, landete der Fall vor Gericht. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Stuttgart bestätigten den Anspruch des Mieters auf Kautionsrückzahlung.

 

Der Tenor der Entscheidung

In einem Rückgabeprotokoll aufgeführte Mängel dienen vornehmlich einer Zustandsbeschreibung des Mietobjektes. Es bedeutet nicht automatisch, dass der Mieter damit anerkennt, dass er die Mängel während der Mietzeit schuldhaft verursacht hat. Aus ihm sei nicht zu entnehmen, dass der Mieter in irgendeiner Weise anerkennen wollte, dass die Schäden erst nach Überlassung der Wohnung an ihn entstanden waren. Daran ändere selbst die Verwendung des Wortes »Mängel« im Protokoll nichts. Dieser Begriff sage nur aus, dass die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Wer dafür die Verantwortung trage, sei dem Begriff nicht zu entnehmen.
Es bedeutet deshalb kein Schuldanerkenntnis

Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 13.12.2021 – 4 S 150/21

 

Mieter hat Anspruch auf Rückzahlung der Kaution

Die Vermieterin hatte nicht nachweisen können, dass die im Protokoll festgehaltene Beschädigungen während der Mietzeit des Mieters entstanden sei. Das unterschriebene Rückgabeprotokoll stelle kein Schuldanerkenntnis dar.
Denn – so das Gericht– sage der Begriff Mängel nur aus, dass die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Wer dafür verantwortlich ist, könne daraus nicht abgeleitet werden.

(Landgericht Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 13.12.2021 – 4 S 150/21)

 

 

Was sagt der Experte?

Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

 

Bei der Wohnungsrückgabe sollte immer ein Protokoll erstellt werden, mit dem festgehalten wird, in welchem Zustand die Wohnung ist („Rückgabeprotokoll“).

Aus dem Protokoll muss aber auch hervorgehen, ob der ausgezogene Mieter für den Zustand verantwortlich ist.

Es besteht deshalb noch eine weitere Hürde.

 

„Das war schon immer so“

Der Mieter kann zwar später nicht mehr bestreiten, dass die protokollierten Mängel tatsächlich bestanden haben.

Allerdings wenden Mieter häufig ein, die Mängel hätten bereits bei Mietbeginn vorgelegen.

Jetzt kommt das so genannte Übergabeprotokoll ins Spiel, welches zu Beginn des Mietverhältnisses gemacht werden muss.

Haben Sie auch bei Mietbeginn ein gemeinsames Protokoll („Übergabeprotokoll“) erstellt, dann sind Sie auf der sicheren Seite, wenn die jetzt festgestellten Mängel dort nicht aufgeführt sind.
Ist ein solches Übergabeprotokoll nicht vorhanden, dann kann der Mieter in der Regel mit Erfolg behaupten, dass die bei der Rückgabe protokollierten Mängel zu Beginn bereits vorhanden war („Das war schon immer so!“).

Weigert sich der Mieter, an einer gemeinsamen Wohnungsabnahme teil-zunehmen (dazu besteht keine Verpflichtung!), sollten Sie sich trotzdem alle Räume der Wohnung sorgfältig ansehen und ein Abnahmeprotokoll anfertigen.

Bitten Sie Zeugen hinzu, die auch das Protokoll mit unterschreiben. Und vermerken Sie im Protokoll, dass/warum der Mieter nicht teilgenommen hat.

Fachanwalt Wolfgang Reineke

 

 

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Beratungsthemen in den Haus & Grund Vereinen

 

Mehr als die Hälfte aller Rechtsberatungen entfallen auf die Beratungsklassiker „Betriebskosten, inkl. Heizkosten“ und „Wohnungsmängel“. Sie sind die dominierenden Rechtsberatungsthemen.

Das dritthäufigste Beratungsthema bleiben die Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete mit einem Anstieg auf jetzt 12,8 Prozent. Hier spiegeln sich Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten mit zuletzt stark steigenden Mieten wieder.

Unter „Allgemeine Vertragsangelegenheiten“, Platz 4 der häufigsten Beratungsthemen, fallen alle Rechtsberatungen, die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis als Hintergrund haben, sowie Beratungen im Vorfeld bzw. beim Abschluss des Mietvertrages. Das sind beispielsweise Fragen zur Mietpreisbremse, zu Staffel- oder Indexmieten, zu Wohnungssuche und Wohnungsbesichtigung, zu Wohngemeinschaften, bis hin zu Fragen, ob Tierhaltung erlaubt, die Haustür abends abgeschlossen werden muss oder wie laut gefeiert werden darf.

Mehr als jede 10. Rechtsberatung dreht sich um die Themen „Mietkaution“ und „Schönheitsreparaturen“. Meistens geht es um Fragen, ob und wann der Vermieter die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzahlen muss, ob der Vermieter das Kautionsguthaben verrechnen darf, zum Beispiel mit Ersatzansprüchen wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen.

Beratungen zur „Vermieterkündigung“ sind fast doppelt so häufig wie Beratungen zum Thema „Mieterkündigung“, typisch für die Entwicklung auf engen Wohnungsmärkten.

Der Beratungsbedarf zum Thema „Modernisierung“ lag 2018 noch bei 3,3 Prozent. Auch wenn nur rund 1 Prozent des Wohnungsbestandes 2018 modernisiert wurde, sorgen drastische Mietpreissteigerungen nach durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen für eine entsprechende Nachfrage nach Beratungen.

 

 Streitgegenstand in Mietrechtsprozessen

2018 2017 2016
1. Vertragsverletzungen 26,8 % 27,4 % 26,7 %
2. Mieterhöhung 21,3 % 16,6 % 17,3 %
3. Betriebskosten 18,1 % 19,4 % 20,9 %
4. Mietkaution 15,3 % 16,2 % 16,1 %
5. Eigenbedarf 6,2 % 5,9 % 5,2 %
6. Fristlose Kündigung 4,9 % 5,5 % 5,0 %
7. Modernisierung 1,7 % 1,8 % 1,9 %
7. Ordentliche Kündigung 1,7 % 1,5 % 1,5 %
9. Schönheitsreparaturen 0,7 % 1,0 % 0,9 %

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